PORTRÄT 15 „Ich habe hier alles, was ich brauche!“ Nach fast 20 Jahren hat Turner Eugen Spiridonov seine Karriere Anfang 2020 beendet. Der Erfolgsgarant der TG Saar ist seitdem als Diplomsportlehrer und Cheftrainer der TG Saar tätig und kümmert sich insbesondere um die Nachwuchsarbeit. Mit seiner kleinen Familie wohnt er in Dudweiler. Seine heute 86-jährige Oma, eine gebürtige Deutsche, nahm ihn 2001 aus Russland mit in die alte Heimat. Am 1. August 2001 kam Eugen Spiridonov im Alter von 19 Jahren und mit einem Großteil seiner Familie aus Tscheljabinsk, das zwei Autostunden von Jekatarinenburg entfernt liegt, im über 4500 Kilo- meter entfernten Deutschland an. Sie alle mussten zuvor fünf Jahre auf die entsprechenden Papiere warten. Über Hannover und nur dank eines Empfehlungsschreibens von Dr. Kurt Bohr, dem damali- gen Präsidenten des Saarländischen Turnerbunds, durfte Spiridonov ins Saarland ziehen, um hier heimisch zu werden. Mit einem Zimmer im Internat an der Sportschule fing alles an. „Die ersten zwei Jahre waren nicht einfach. Ich hatte schon in Russland einen Deutschkurs absolviert und dachte nach zwei Wochen: Gut, ich kann alles. Auf geht’s. Als ich dann hier ankam, verstand ich kein Wort“, gibt der heute 37-Jährige zu und erklärt: „Saarländisch zu ver- stehen ist nicht einfach. Dafür muss man schon ein paar Jahre hier leben.“ Mittlerweile versteht er „fast jeden“. Auch deshalb fühlt er sich hier sehr wohl. „Das Saarland ist klein und fein, hier gibt es viel Grün, gute Luft und die wunderschöne Saarschleife – Ich habe hier alles, was ich brauche“, findet er und ergänzt: „Es ist mir eine große Ehre, für das Saarland sportlich etwas erreicht zu haben und ich bedanke mich bei allen für die große Anerkennung.“ Die sportlichen Leistungen halfen Eugen Spiridonov bei der nicht leichten Integration. Jahr für Jahr ent- wickelte er sich weiter, wurde besser und nahm die Olympischen Spiele 2004 in Athen ins Visier. „Ich war dabei, aber nur als Ersatzmann. Das war schon ärgerlich“, gibt Spiridonov zu. Nach der Olympia-Enttäuschung wurde er Sportsoldat und begann in Russland ein Studium zum Sportlehrer. Es dauerte bis ins Jahr 2005 ehe es „im Kopf richtig geknallt hat“, wie er es nennt. Der Spaß am Turnen war plötzlich wieder da und mit ihm kam auch die Motivation zurück. Das nächste Ziel war schnell gefunden: Die Olympischen Spiele 2008 in Peking. „Ich wollte, seit ich mit dem Sport angefangen und die Spiele das erste Mal im Fernsehen gesehen hatte, unbedingt einmal dort mitturnen“, versi- chert er mit funkelnden Augen. Nach Silber am Pauschenpferd bei der EM 2006 im griechischen Volos und den Deut- schen Vize-Meisterschaften im Mehr- kampf und am Pauschenpferd im glei- chen Jahr holte er 2007 mit der deutschen Staffel um Fabian Hambüchen WM-Bronze, was der Deutschen Mannschaft die ersehnte Olympiaqualifikation bescherte. Im selben Jahr konnte Spiridonov als Sieger am Boden auch seinen ersten Deutschen Meistertitel feiern. 2008 wurde er erneut Dritter im Mehrkampf. In Peking dann erfüllte sich Spirido- nov seinen Traum und turnte auf der größten aller Sportbühnen für das deutsche Team. Einziger Wermutstropfen war der etwas enttäu- schende vierte Platz. „Leider hat die Tasche auf der Heimreise nicht geklimpert“, sagt Spiridonov rückblickend und lacht. Trotzdem wur- de er im Saarland als erster Olympia-Turner nach über 20 Jahren begeistert empfangen. Motivation genug, sich nach einem Jahr Wett- kampfpause ab 2010 wieder anzugreifen. Auf den Gewinn der Mannschafts-EM im englischen Birmingham folgte in Rotterdam WM-Bronze mit dem deutschen Team. Für eine erneute Olympiateilnahme, 2012 in London, reichte es allerdings nicht mehr. Für die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft mit der TG Saar 2012 schon. 2015 schied er schließlich aus dem B-Kader der Nationalmannschaft aus. „Das war traurig, aber richtig so“, sagt er rückblickend und ergänzt: „Ich freue mich über die vielen Erfolge, es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Irgendwann muss man ja mal Platz machen für die Jüngeren.“ Als Cheftrainer der TG Saar hat er deren Ausbildung quasi selbst in der Hand. „Ich habe großen Spaß daran, hier mit dem Nachwuchs zu arbeiten und mich bei der TG Saar weiter einbringen zu dürfen“, sagt er. Sein neues Ziel ist es, Eigengewächse in die Bundesligamannschaft zu integrieren. Viel- leicht gehört der nächste Olympia-Turner aus dem Saarland schon zu den Schützlingen von Eugen Spiridonov. Sebastian Zenner (aus Magazin SaarSport 01/2020) Turnen an der Saar | Nr. 01 | Februar/März 2020